Elektrodenschweißen / E-Hand Schweißen
Meine Frau kann Geheimnisse einfach nicht für sich behalten. Ich habe schon eine Woche vor meinem Geburtstag gewusst, dass ich ein neues MIG/MAG-Schweißgerät bekommen soll. Als ich's ausgepackt habe, wurde aber recht schnell klar, dass es ein MMA bzw. Elektrodenschweißgerät ist und kein MIG/MAG-Schweißgerät. Meine Frau und Werkzeug...
Auf Elektrodenschweißen hatte ich aber eh schon immer mal Bock, deshalb fand ich's trotzdem cool! Im Internet gab es interessante Beiträge dazu und nach zwei Tagen war ich selbsternannter Elektrodenschweiß-Experte.
Jetzt muss ich nur noch was zum Reparieren finden, dann gibt's Feuer!
Inhalt
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Was ist MMA- / Elektrodenschweißen?
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Welche Materialien kann ich damit verschweißen?
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Vor- und Nachteile von MMA- / Elektrodenschweißen
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Die richtigen Elektroden für dein Projekt
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Anleitung: so geht's
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Empfohlene Schutzausrüstung
Was ist MMA- / Elektrodenschweißen?
Das MMA- bzw. Elektrodenschweißen ist eigentlich recht schnell erklärt: Es gibt eine Stabelektrode und das Werkstück. Dazwischen brennt ein Lichtbogen, der die Stabelektrode abschmilzt. Sie ist bei dem Vorgang Stromleiter und Schweißzusatzwerkstoff in einem.
Das Verfahren verwendest du am besten, wenn du relativ schnell und einfach zwei oder mehr Metallteile miteinander verbinden willst. Außerdem ist das Schweißverfahren auch sehr gut für das Auftragsschweißen geeignet.
Auftragsschweißen ist das Aufbringen einer zusätzlichen Schicht auf ein metallisches Grundmaterial. Das macht man hauptsächlich, um eine höhere Verschleißfestigkeit zu erzielen. Ich kenne es von meinem Landwirtsnachbarn, der verstärkt damit beispielsweise regelmäßig seine Pflugschare.
Welche Materialien kann ich damit verschweißen?
Mit dem MMA-Schweißverfahren lassen sich viele Materialien verschweißen. Aber Achtung: Nicht jedes Material lässt sich mit jeder Elektrode schweißen.
Es gibt viele unterschiedliche Elektrodentypen, die sich in ihren Eigenschaften unterscheiden. Welchen Elektrodentyp du bei deinem Projekt am besten nimmst erkläre ich dir später.
Vor- und Nachteile von MMA- / Elektrodenschweißen
Vorteile
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einfach - Du hast`s schnell gelernt
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Schweißgerät und Zubehör sind sehr preiswert - Ideal für Anfänger
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wetterunabhängig - Problemloses Arbeiten im Außenbereich
Nachteile
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Keine "Puls"-Funktion - Aluminium- & Edelstahlschweißen nur bedingt möglich
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Dünne Werkstücke sind schwierig zu verschweißen - brennen schnell durch
Am kompliziertesten ist beim Elektrodenschweißen wahrscheinlich nicht das Schweißen selbst, sondern den Überblick über die ganzen verschiedenen Elektrodentypen zu behalten. Ich muss zugeben, es hat lange gedauert, bis ich das System einigermaßen drin hatte. Naja, ich wollte es auch genau wissen. Wenn man sich aber mal kurz Zeit nimmt und sich damit beschäftigt kriegt man die wesentlichen Daten relativ schnell raus.
Die richtige Elektrode für dein Projekt
Stabelektroden bestehen aus zwei Bestandteilen: Dem Kernstab und der Umhüllung. Die Umhüllung umschließt dabei den Kernstab wie die Schokolade das Mikado.
Der Kernstab ist der Teil, der nachher die Schweißnaht bildet. Die Umhüllung sorgt für die Zündung der Elektrode und sorgt während du schweißt für den Lichtbogen und das Schutzgas.
Bei der Schweißnahtbildung entstehen Schlacken. Schlacke ist eine Schicht, die sich während du schweißt, über das Material legt und so die Oberflächenspannung der frischen Naht verringert und gleichzeitig für eine gleichmäßige Abkühlung des Werkstücks sorgt.
Nachdem du fertig mit deiner Arbeit bist, ist die Schlacke überflüssig und du kannst sie mit einem Schlackenhammer von der Naht klopfen.
Bei dem geschenkten E-Hand-Schweißgerät waren keine Elektroden dabei. Ich habe mir also gleich noch einen Pack bestellt. „Elektrode ist Elektrode“ dachte ich immer, aber dass die Auswahl hier so groß wie in der Eisdiele ist, hätte ich nicht gedacht.
R / RR, B, RB und noch mehr Umhüllungstypen haben mir die Entscheidung der passenden Elektrode erschwert. Damit du dich nicht, wie ich, einen ganzen Abend mit Umhüllungstypen beschäftigen musst, erkläre ich sie dir kurz:
R/RR (Rutil / Dick-rutil)
Die R /RR Elektrode ist vielseitig einsetzbar. Du kannst sie für Schweißungen an verschiedenen Baustählen nehmen. Gerade für Anfänger ist sie eine gute Wahl, weil sie sich sehr gut zünden bzw. wiederzünden lässt.
Bei richtiger Anwendung bekommst du mit der Elektrode schöne, glatte Schweißnähte hin. Die mechanischen Gütewerte sind bei der Rutil / Dick-rutil Elektrode auch top.
Der mechanische Gütewert bezeichnet die Spannung, bis zu der ein Werkstoff gedehnt werden kann, ohne sich langfristig zu verformen. Außerdem lässt sich die entstandene Schlacke leicht von der Schweißnaht trennen.
B (Basisch)
Die basische Stabelektrode ist hauptsächlich im Stahlbau zu Hause. Die Elektrode ist aber doch schon eher was für fortgeschrittenere Schweißer. Die eingeschränkte Wiederzündbarkeit, hat schon viele Anfänger zur Verzweiflung gebracht.
Auch das Ziehen der Schweißnaht ist nicht ohne. Meistens ist die erste Naht ein grober Tropfenübergang, und muss nochmal nachgebessert werden. Basische Elektroden müssen mit einem kurzen Lichtbogen verschweißt werden (0,5 x Kernstab-Ø).
Wenn du's allerdings erstmal gemeistert und eine saubere Naht hinbekommen hast, dankt sie es dir mit sehr guten Festigkeits- und mechanischen Gütewerten. Auch geeignet für hochfeste Stähle.
RC (Rutil-cellulose)
Die Rutil-cellulose Elektrode ist der Allrounder unter den Stabelektroden. Sie ist universell einsetzbar und lässt sich relativ leicht verarbeiten.
Auch hier ist die Schlackenbildung nicht besonders hoch und du kannst sie gut für Fallnähte verwenden.
RB (Rutil-basisch)
Wenn dir R/RR-Elektroden zu simpel klingen, du dich aber auch noch nicht an B-Elektroden traust, nimm einfach RB Elektroden. Das ist quasi der Kompromiss zwischen R / RR- und B Stabelektroden.
Sie sind sehr beliebt im Rohrleitungsbau und sind gut für das Schweißen von Steignähten, also das Schweißen von unten nach oben geeignet.
Auch Wurzellagen lassen sich damit sehr gut ziehen. Die Wurzellage ist die unterste Schicht beim mehrlagigen Schweißen von stärkeren Werkstücken.
C (Cellulose)
Cellulose Elektroden sind DIE Fallnahtelektroden. Sie sind ideal für das Schweißen von Fallnähten.
Dadurch, dass beim Schweißen nur sehr wenig Schlacke entsteht, ist das Risiko von vorlaufender Schlacke minimal und es kann kein Schlackeneinschluss entstehen. Die mechanischen Werte sind ebenfalls top.
A (Sauer)
Saure Elektroden nimmst du am besten für die Feinarbeiten. Durch den sehr feine Tropfenübergang bekommst du auch sehr feine Schweißnähte hin.
Saure Stabelektroden werden in Deutschland kaum noch genutzt, da sie einige Nachteile mit sich bringen:
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höherer Sauerstoffgehalt in der Umhüllung verringert Spannung des Schweigutes
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hohe Gefahr von Einbrandkerben
Anleitung - So geht's
So...genug Theorie, jetzt erzähle ich dir endlich was zur Praxis. Zum Elektrodenschweißen brauchst du nicht viel. Schweißstromquelle, Massekabel, Elektrodenhalter, Stabelektroden, Schutzausrüstung und Bock auf strahlende Lichtbögen, mehr nicht.
Als Schweißstromquelle nimmst du bitte nicht das Stromaggregat vom Nachbarn und auch nicht deine Autobatterie. Mit Schweißstromquelle meine ich einen speziellen Schweißinverter. Der Inverter liefert dir perfekten Gleichstrom. Eine Alternative dazu ist ein Schweißtransformator.
Welche Stromstärke du letztendlich einstellst entscheidet ausnahmsweise mal nicht dein zuverlässiges Bauchgefühl, sondern der Elektrodendurchmesser. Es gilt: Je dicker die Elektrode, desto höher die Stromstärke:
- 1,6 Ø = 40-50 A
- 2,0 Ø = 60-80 A
- 2,5 Ø = 75-100 A
- 3,2 Ø = 95-125 A
- 4,0 Ø = 120-160 A
- 5,0 Ø = 150-200 A
Zünden
Die richtige Stromstärke ist eingestellt und die Elektrode sitzt im Elektrodenhalter? Dann wird's Zeit zum "Zünden"! Lass dafür das Feuerzeug stecken, Elektroden sind keine Wunderkerzen. Die Elektrode zündest du, indem du das Elektrodenende auf das zu verschweißende Material tippst und sie minimal anhebst, ohne, dass der Lichtbogen abreißt.
Zum Zünden brauchst du also Übung. Aber nicht nur die richtige Technik, sondern auch die Umhüllung und der Zustand der Elektroden sind beim Zünden kriegsentscheidend. Elektroden sollten möglichst trocken sein. Achte bei der Lagerung also darauf, dass sie nicht feucht werden. Schweißen mit feuchten Elektroden ist wie Grillen ohne Glut.
Wenn die Elektroden doch mal feucht werden, kannst du sie auf der Heizung oder mit einem speziellen Elektrodentrockener trocknen.
Wie muss der Lichtbogen aussehen?
Nachdem du die Elektrode erfolgreich gezündet hast, bleibt keine Zeit für Schulterklopfer. Jetzt kommt nämlich der wesentliche Teil - die Schweißnaht ziehen. Dabei ist der Abstand zwischen Elektrode und Werkstück elementar wichtig.
Ist der Abstand zu gering, klebt sie am Werkstück fest. Wenn der Abstand zu groß ist, wird der Lichtbogen ungleichmäßig und die Naht sieht nachher besch... unschön aus. Wie du im Lichtbogen den Abstand zwischen Elektrode und Werkstück erkennen kannst? Gar nicht! Der Trick ist hier den Lichtbogen zu bewerten.
Der Lichtbogen sollte kompakt und hell weiß leuchtend ausschauen, dann ist der Abstand perfekt. Wenn der Lichtbogen ausbricht und eher gelblich abbrennt, ist der Abstand zu groß. Ja ich weiß, in der Theorie kann man's sich schwer vorstellen, aber in der Praxis wirst du schnell merken was ich meine.
Zünden - Check, Abstand - Check, jetzt erklär ich dir noch das richtige Führen bzw. das Ziehen.
Führen der Elektrode
Beim Führen gibt es zwei Möglichkeiten - Strichlage oder Pendeln. Strichlage bedeutet das einfache Schweißen von geraden Strichen auf dem Schweißwerkstück. Pendeln ist dann schon etwas anspruchsvoller.
Beim Pendeln pendelt man mit der Elektrode von links nach rechts, um eine breitere und stärkere Schweißnaht hinzubekommen. Gerade bei stärkeren Werkstücken empfiehlt sich das Pendeln.
Achte auch bei beiden Varianten auf den Winkel, indem die Elektrode zum Werkstück steht. Die besten Ergebnisse bekommst du mit einem Winkel von ca. 70 Grad.
Beim E-Hand Schweißen wird normalerweise schleppend (der Brenner wird zu dir hin über das Schweißgut gezogen) geschweißt. In der Position PF (also beim Schweißen von unten nach oben) wird stechend (du führst die Elektrode von deinem Körper weg) geschweißt.
Empfohlene Schutzausrüstung
Zugegeben, das Thema Arbeitsschutzist nicht mein Lieblingsthema... aber das meiner Frau. Beim Schweißen ist mir die Sache dann doch etwas zu heiß. Strom, Strahlung, Verbrennungsgefahr und Schweißrauch sind nicht zu unterschätzen.
Mit Schutzbekleidung, also Schweißhelm, Schweißschürze und Schweißhandschuhen minimierst du das Risiko und kannst dich zu 100% auf das Schweißen konzentrieren. Auch eine Schweißschutzwand habe ich mir zugelegt, um meine umherstreunenden Kinder zu schützen.
Achte außerdem darauf, dass du beim Schweißen keine feuchte Arbeitskleidung anhast und nicht auf feuchten Untergründen arbeitest.
MMA-Schweißen kurz und knapp
Und?...Hast du nach dem Beitrag genauso viel Bock, Elektroden zum Glühen zu bringen, wie ich? Dann halte ich mich bei der Zusammenfassung kurz:
- ideales Schweißverfahren für Anfänger und Hobbyheimwerker
- preiswert in der Anschaffung
- nach etwas Übung hast du's drauf und kannst sofort loslegen
- vielseitig einsetzbar
- Schweißarbeiten sind fast überall möglich
- macht tierisch Laune!
Also - ran an die Elektroden und Feuer frei!
Quellen
- Pohl, Matthias: Anleitung zum Elektrodenschweißen. unter https://mannisweldingchannel.com/anleitung-zum-elektrodenschweissen/ (abgerufen am 28.09.2021)
- Telwin: MMA Schweissen - Lichtbogenschweissen mit umhüllten Elektroden. unter https://www.telwin.com/de/telwin-academy/saldatura/mma-welding/ (abgerufen am 28.09.2021)
- VDB-Schweisstechnik: Das MMA Schweissverfahren mit Schweisselektroden: E-Hand Schweissen, Lichtbogenhandschweissen. unter https://vdb-schweisstechnik.com/MMA-Elektrodenschweissen (abgerufen am 28.09.2021)
- EWM HIGHTEC WELDING GmbH: EWM-Schweisslexikon. unter: https://reiz-schweisstechnik.de/media/PDF/wm041300fibel.pdf (abgerufen am 28.09.2021)