Fachwerk sanieren – Grundregeln

„Besser im Stall wohnen als im Wohnhaus“

Quizfrage: Warum sind historische Fachwerk-Wohngebäude oft in deutlich schlechterem Zustand als Ställe, obwohl sie häufiger gewartet, renoviert und saniert wurden?

Mein bester Freund hat ein Fachwerkhaus geerbt. Da gibt es Räume, die sind noch original: Es wurde seit 1804 nichts gemacht, maximal tapeziert. Der Plan ist eine Sanierung: aus einem hässlichen Fachwerk-Entlein wird ein Architektentraum.

Nachdem er hochmotiviert die erste Wand geöffnet hatte, schlug die Ernüchterung ein wie ein Meteorit: angefaulte Fachwerkbalken, lose Ausfachungen und durchgesägte Pfosten.

Antwort auf die Frage oben: Es gibt Grundregeln im Umgang mit Fachwerk und die Vorbesitzer kannten sie nicht oder haben sie aus Bequemlichkeit ignoriert. In diesem Blogeintrag sehen wir uns die Grundregeln an, damit du am Ende nicht im Stall, sondern im Architektentraum wohnst.


Inhalt

  • Statik
  • Fachwerk atmen lassen
  • Zement
  • Was im Fachwerk nichts zu suchen hat
  • Die Lösung
  • Die Grundregeln auf einen Blick

Fachwerkhaus mit Lehmputz

Statik

„Mit zwei Beinen steht man besser.“

Manche Balken sind schräg, manche horizontal, manche senkrecht im Fachwerkhaus verbaut. Was aussieht, als hätten sich die Zimmermeister kreativ ausgetobt, ist in Wirklichkeit ein ausgeklügeltes statisches Ganzes.

Fachwerkhaus Aufbau

Um das zu verstehen, bauen wir uns mal ein Fachwerkhaus von Grund aus auf:

Ganz unten, auf das Fundament, kommt der Schwellbalken. Darauf sitzt die ganze Wand und gibt alle wirkenden Kräfte auf das Fundament ab. Die Wand besteht aus den Pfosten (horizontal), den Riegeln (vertikal) und den Streben (diagonal).

Die Riegel geben alle Kräfte an die Pfosten weiter und die Pfosten geben die Kräfte an den Schwellbalken ab. Die Streben steifen die Wand aus und verhindern, dass die ganze Konstruktion nach links oder rechts einfach wegklappt.

Oben auf der Wand sitzt das Rahmholz (oder auch „Rähm“). Auf ihm liegen die Deckenbalken, die die Kräfte vom Dachstuhl oder die Deckenlasten übernehmen und das Haus längsseitig aussteifen. Auf den Deckenbalken liegt die Saumschwelle. Die Saumschwelle ist der Schwellbalken der 1. Etage. Klar so weit?

Ein Fachwerkhaus ist also ein ausgeklügeltes System, bei dem die Kräfte von oben nach unten geleitet werden. Deshalb solltest du bei einer Sanierung auf keinen Fall einfach Holzteile entfernen, denn dann klappt das Gebäude im schlimmsten Fall zusammen wie ein Kartenhaus. Frag vorher unbedingt einen Fachmann oder lass es gleich von einer Fachfirma machen.

Fachwerk atmen lassen

„Du packst dir ja auch keine Tüte über den Kopf!“

Wenn man sich im Internet in Foren über Fachwerk beliest, findet man immer wieder einen Satz: „Fachwerk muss atmen.“ Das heißt: Fachwerkwände müssen diffusionsoffen sein, sodass Feuchtigkeit durch die Wände wandern können. Sie dürfen als nicht komplett abgedichtet werden.

Am Haus meines Freundes sieht man das gut: Die Außenseite der Pfosten wurde vom Vorbesitzer mit Dickschichtlasur gestrichen. Das ist, als würde man den Balken in eine Plastiktüte einpacken.

Die Überlegung ist eigentlich ganz gut: „Mache ich das Fachwerk zu, dann kommt kein Wasser rein…“ Wäre da nicht die Umwelt. Selbst die kleinen Krallen von Vögeln können winzige Löcher in der Lasur hinterlassen, durch die Wasser eindringt. Raus kommt es dann aber nicht mehr. Das Ergebnis: Das Holz ist nass und fängt an zu faulen.

Ein zerstörter, verfaulter Fachwerkbalken

Hier wurde die Schwelle mit Dickschichtlasur gestrichen. Wasser ist eingedrungen und hat den Balken nach und nach beschädigt.

Abgeplatzte Farbe am Fachwerk

Hier ist die Farbe von der Strebe und der Schwelle abgeplatzt.

Ein beschädigter Fachwerkbalken

Dieser Pfosten wurde mit diffusionsdichter Farbe gestrichen und die Farbe ist abgeplatzt. Durch die eindringende Feuchtigkeit wurde der Pfosten beschädigt.


Die Ausfachungen, also die gefüllten Gefache, spielen dabei eine große Rolle. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die Gefache gefüllt sein können: Ziegelsteine, Lehmsteine, Natursteine oder mit einer Stakung, die mit Lehm verschlossen wurde.

Das alles sind Materialien, die das Haus atmen lassen, die also diffusionsoffen sind. Die Ausfachungen sollten nur mit Lehm- oder Kalkfarbe gestrichen werden.

Dispersionsfarbe aus dem Baumarkt enthält Kunststoffe, die die Wände verschließen, sodass keine Feuchtigkeitsabgabe stattfinden kann. Müssen die Ausfachungen saniert werden, sollte auch hierfür Lehm- oder Kalkputz verwendet werden.

Zement

„Karies für's Fachwerk“

Im Haus meines Freundes haben wir eine Stelle entdeckt, an der ein Stück Holz in der Wand fehlte. Der Vorbesitzer hat die Stelle mit Zement ersetzt.

Klingt ja erst mal gut, Zement ist solide und lässt keine Feuchtigkeit rein. Zement und Holz sind allerdings keine Freunde, sie verbinden sich nicht dauerhaft.

Es wird also eine Lücke zwischen Holz und Zement entstehen, durch die Wasser eindringt, das dann nicht wieder hinaus kann. Man kann es sich am besten so merken: Feuchtigkeit ist wie die Zuckerwatte. Mit Zement hat man dann Karies.

Wenn das Fachwerk atmen kann, dann kann auch die Feuchtigkeit wieder abziehen und es bleibt lange erhalten.

Ein Fachwerk das mit Zement bearbeitet wurde

Hier wurde die Ausfachung mit Zement „geflickt“. Am Übergang zum Balken ist bereits ein Riss entstanden, durch den Wasser eindringen kann.

Silikon und Bauschaum am Fachwerk

Hier wurde die Ausfachung mit Bauschaum aufgefüllt und der Übergang zum Balken mit Silikon „abgedichtet“. Das Silikon ist gerissen und durch den 1 cm großen Riss kann Wasser ins Fachwerk eindringen. 

Was im Fachwerk nichts zu suchen hat

  • Zement
  • Silikon
  • Bauschaum
  • Dispersionsfarbe
  • Volldämmstoffe im Gefach
  • Gittersteine, Lochsteine, harte Klinker

Diese Baustoffe sollten dem Fachwerk unbedingt fernbleiben, denn sie verhindern einen Feuchtigkeitsaustausch.

Ich bin tatsächlich überhaupt kein Fan von Bauschaum. Im Haus meines Freundes wurden die Fenster damit abgedichtet. Das Problem: Bauschaum lässt keine Feuchtigkeit durch und ist auch nicht UV-beständig. Außerdem dünstet nicht ökologischer Bauschaum Isocyanate aus, die gesundheitsschädlich sein können.

Die Lösung

„Was nehme ich also?“

Wenn ich jetzt also schadhafte Stellen im Holz habe, was mache ich damit? Am besten ab damit zum Zimmermann – bzw. ab mit dem Zimmermann ins Fachwerk. Schadhafte Balken und Pfosten müssen nicht immer vollständig ersetzt werden.

Wenn der Schaden nicht zu groß ist, reicht ein teilweiser Ersatz. Wichtig dabei ist, dass die alten und die neuen Teile nicht durch Montagewinkel verbunden werden, sondern durch Holzverbindungen (z .B. Zapfenverbindungen).

Die Schrauben in den Montagewinkeln werden im Winter durch die Luftfeuchtigkeit im Raum nass werden und das Holz um die Nägel oder Schrauben herum wird faulen.

Ein Fachwerkhaus bei dem die Balken getauscht wurden

Bei diesem Fachwerk wurde ein schadhafter Pfosten ergänzt und ein Teil des Rähm ersetzt.

Die Fachwerkbalken selbst können außen einen Anstrich aus Leinöl, Leimfarbe, Kaseinfarbe, Sikikonharzfarbe oder Mineralfarbe erhalten. Damit kann das Holz atmen und wird gleichzeitig etwas geschützt.

Sie sollten außen nicht verputzt werden, denn die Ausfachungen und die Balken haben ein anderes thermisches Verhalten als der Putz. Ergebnis: Es können sich Risse bilden. Und Risse führen zu nassen Balken und die faulen weg.

Wenn dir die Fachwerkoptik nicht gefällt, kannst du Holz oder Schieferplatten nutzen, die auf einer Vorsatzkonstruktion aufgebracht sind, um die Fassade zu verkleiden. Dahinter sollte eine Hinterlüftung möglich sein.

Die Gefache kannst du außen mit Kalkputz verputzen.

Wenn du Bereiche im Haus abdichten musst (beispielsweise Fenster), dann nimm bitte keinen Bauschaum, sondern Hanf.

Die Grundregeln auf einen Blick

Für deinen Architektentraum ist es also ganz wichtig, zwei Dinge immer im Blick zu haben:

  1. Veränderungen an den Balken selbst sollte immer ein Fachmann machen, sonst leidet die Statik darunter!
  2. Fachwerk muss atmen, sonst faulen die Balken Wasser muss irgendwo wieder raus können!

Wenn du diese Grundregeln im Kopf behältst, kann nicht mehr so viel schiefgehen.


Quellen

  • Dipl.-Biol. Huck, Bettina: Isocyanate / 2 Gefahren. Unter: https://www.haufe.de/arbeitsschutz/arbeitsschutz-office-professional/isocyanate-2-gefahren_idesk_PI13633_HI2735647.html (abgerufen am 13.09.2021).
  • Jansen-Greef, Lothar (2013.10): Fachwerk richtig restaurieren mit natürlichen Materialien: Kalk, Leinöl, Kaseinfarbe, Hanf [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=lLa5Npi3HF8.
  • Lenze, Wolfgang (2016): Fachwerkhäuser: restaurieren – sanieren – modernisieren. (10., erweiterte Auflage). Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag.
  • Schmid, Eva Dorothé: PU-Schaum: Gibt es eine ökologische Alternative zu Bauschaum? Unter: https://wohnglueck.de/artikel/pu-schaum-oekologische-alternative-29427 (abgerufen am 08.09.2021).

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